Ich nenne diese Vorgesetzten gerne Helikopterchefs. Denn sie kreisen ununterbrochen über dir und micromanagen, wo es nur geht.
Vielleicht – wenn du ganz ehrlich bist – bist du (manchmal) auch einer von ihnen?
Mir geht es in diesem Artikel nicht darum, Helikopterchefs anzuprangern, sondern darum, ein Verständnis dafür zu schaffen, welche Auswirkungen ein solches Verhalten hat, welche Emotionen sich dahinter verstecken und welche Möglichkeiten es gibt, produktiver damit umzugehen.
Der Preis der Kontrolle: Frust und Wut
Für die Mitarbeitenden ist ständige Kontrolle so, als ob ihre Selbstwirksamkeit – das Vertrauen in ihre eigene Kompetenz – untergraben wird. Diese permanente Überwachung und das Gefühl, dass die eigene Arbeit nicht als ausreichend kompetent angesehen wird, führen unweigerlich zu Frustration. Wut ist oft die Reaktion, die in den Mitarbeitenden hochkocht, nicht aus Trotz, sondern aus einem tiefen Gefühl der Ohnmacht.
„Warum soll ich mich bemühen, wenn meine Arbeit ohnehin nie gut genug ist?“ Diese Frage ist dabei ein ständiger Begleiter.
Frust führt zu Resignation und sinkender Motivation. Die Energie, die einst in kreative Lösungsansätze und effizientes Arbeiten floss, wird zur inneren Abwehrhaltung. Die Mitarbeitenden machen Dienst nach Vorschrift, erfüllen nur noch das, was ihnen aufgetragen wird, und investieren nur noch die notwendige Energie. Die Eigeninitiative sinkt auf null, sie bringen sich nicht mehr ein und halten sich aus allem raus.
Welche Folgen hat das für die Führungskraft? Dadurch ist es fast notwendig, zu micromanagen, denn die Mitarbeitenden werden für jede kleinste Entscheidung zum Chef gehen, nur noch das tun, was ihnen explizit gesagt wird, und alle kreative Denkarbeit und Lösungssuche bleiben bei der Führungskraft hängen.
Und das führt wiederum zu Stress und Überforderung bei der Führungskraft, denn diese muss sich neben ihren eigenen Aufgaben nun auch um alle Mitarbeitenden kümmern und wieder dort bzw. auch noch dort Verantwortung übernehmen, wo sie eigentlich entlastet werden sollte.
Also eine eher blöde Situation für alle Beteiligten.
Die versteckten Emotionen der Führungskraft: Schuld und Scham
Doch was treibt einen Helikopterchef an? Die Antwort ist oft nicht so eindimensional, wie gedacht. Viele dieser Führungskräfte handeln aus einer tiefen Unsicherheit heraus. Die Angst, selbst nicht als kompetent oder stark genug wahrgenommen zu werden, spielt eine große Rolle. Hinter der kontrollierenden Fassade verbergen sich Gefühle wie Schuld und Scham. Schuld, weil sie wissen, dass sie den Raum zur Entfaltung ihrer Mitarbeitenden einschränken. Scham, weil sie insgeheim ihre eigene Unsicherheit und Furcht vor Fehlern erkennen.
Diese Emotionen sind jedoch oft tabu, vor allem im Businesskontext. Statt sie zu reflektieren und offen anzusprechen, münden sie in noch strengerer Kontrolle, was die Spirale des Micromanagements weiter antreibt.
Deshalb lass uns jetzt einen genaueren Blick darauf werfen
Schuld ist das Gefühl, das auftritt, wenn eine Person glaubt, dass sie etwas falsch gemacht hat oder gegen ihre eigenen Werte und Überzeugungen verstoßen hat. In der Rolle einer Helikopterchefin kann Schuld entstehen, wenn die Führungskraft erkennt, dass ihr Verhalten den Mitarbeitenden schadet. Sie spürt, dass ihre übermäßige Kontrolle die Motivation und Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden untergräbt. Schuldgefühle signalisieren ihr, dass sie möglicherweise entgegen ihrer eigenen Vorstellung von guter Führung handelt und dadurch das Wohl des Teams beeinträchtigt.
Ein Beispiel: Ein Vorgesetzter merkt, dass seine ständige Einmischung dazu führt, dass Mitarbeitende ihre Initiative verlieren und Aufgaben nur noch passiv abarbeiten. Diese Erkenntnis kann Schuld hervorrufen, da er weiß, dass er mit seinen Handlungen dem Team langfristig schadet.
Scham hingegen geht tiefer als Schuld. Während Schuld sich auf das Verhalten bezieht („Ich habe etwas Falsches getan“), bezieht sich Scham auf das Selbstbild („Ich bin ungenügend“ oder „Ich bin nicht gut genug“). Scham tritt auf, wenn die Führungskraft sich selbst als unfähig empfindet, Kontrolle abzugeben und dies als persönliches Versagen sieht. Die Führungskraft fühlt sich entlarvt, schwach oder unzulänglich und anstatt diese Emotionen zuzulassen oder offen damit umzugehen, verstärkt sie oft ihr kontrollierendes Verhalten, um diese Schwäche zu kompensieren.
Das Paradoxe an Scham ist, dass sie oft dazu führt, dass Führungskräfte noch strikter werden, weil sie instinktiv versuchen, ihr schwaches Selbstbild durch ein übermäßig starkes Auftreten zu überdecken. Dies schafft jedoch einen Teufelskreis: Die Führungskraft steigert das Micromanagement, was zu noch mehr Problemen im Team führt, die wiederum die Scham und Unsicherheit weiter verstärken.
Rebekka Ilgner, Führungskräfte-Entwicklerin bei Vitamin Empathie - Die Führungsakademie
Warum ist es wichtig, diese Emotionen zu verstehen?
Weil das Bewusstsein über diese inneren Prozesse der erste Schritt ist, um Verhaltensmuster zu durchbrechen. Wenn eine Führungskraft erkennt, dass ihr Kontrollbedürfnis von Schuld oder Scham angetrieben wird, kann sie beginnen, diese Emotionen zu reflektieren und alternative, gesündere Verhaltensweisen zu entwickeln.
Übrigens: Emotionen nehmen wir in unterschiedlichen Teilen unseres Körpers wahr. Wut und Frust sind häufig im Zentrum, während Scham sich eher im Brust- und Kopfbereich abspielt.
Empathische Führung als Ausweg
Hier kommt das Konzept der empathischen Führung ins Spiel. Empathische Führung bedeutet, sich in die Lage der Mitarbeitenden zu versetzen, ihre Bedürfnisse zu verstehen und ihnen den Raum zu geben, eigene Entscheidungen zu treffen. Es bedeutet auch, als Führungskraft die eigenen Ängste zu erkennen und anzuerkennen.
Ein empathischer Chef hört aktiv zu, bietet Unterstützung und gibt den Mitarbeitenden die Verantwortung zurück. Dieser Führungsstil stärkt die Selbstwirksamkeit des Einzelnen. Wenn ein Mitarbeitender spürt, dass ihm zugetraut wird, Verantwortung zu übernehmen, wächst sein Vertrauen in sich selbst und seine Fähigkeiten. Das Ergebnis? Mehr Zufriedenheit, Kreativität und Engagement im Team.
Ein Balanceakt.
Empathische Führung bedeutet nicht, jede Kontrolle aufzugeben, sondern ein gesundes Maß zu finden. Klare Rahmenbedingungen und offene Kommunikation können helfen, sowohl Sicherheit für die Führungskraft als auch Freiraum für die Mitarbeitenden zu schaffen. Das Ziel ist ein Umfeld, in dem Selbstwirksamkeit nicht nur geduldet, sondern gefördert wird.
Schuld und Scham können durch ehrliche Selbstreflexion und gegebenenfalls Coaching abgebaut werden. Empathische Führung kann so zu einer Win-win-Situation werden: Der Helikopterchef lernt loszulassen, und die Mitarbeitenden gewinnen Autonomie und Selbstvertrauen zurück.
In einer Welt, in der Innovation und Flexibilität gefordert sind, ist es wichtiger denn je, die Balance zwischen Kontrolle und Vertrauen zu finden. Denn nur wer loslässt, kann sehen, wie seine Mitarbeitenden wirklich fliegen.
Fazit
Wie du siehst, sind Emotionen in Businesskontext nicht nur emotionales Gelaber, sondern haben konkrete Auswirkungen auf die Leistung des Mitarbeitenden, des gesamten Teams und der Führungskraft. Deshalb ist es so wichtig, sie zu verstehen und mit ihnen umzugehen – zuerst bei sich und dann bei anderen.
Falls du jetzt sagst: Hey, ich will lernen, emphatisch zu führen, damit mein Team mehr leistet und sich dabei auch noch wohler fühlt und wir so gemeinsam mehr erreichen, dann buche dir hier deinen kostenfreien Führungs-Check: Hier kostenfrei anmelden.
Ich freue mich auf dich!